Bremswegberechnungen
Bisher haben wir die Formeln undkennengelernt.
Sie sind aber nur gültig, wenn die Anfangsgeschwindigkeit Null ist. Bei allen anderen Gegebenheiten, also wenn aus einer bestimmten Geschwindigkeit heraus beschleunigt oder gebremst wird, muss die Ausgangsgeschwindigkeit mit berücksichtigt werden.
Also gilt für die Geschwindigkeit
(Gl.1) das heißt: Ausgangsgeschwindigkeit plus Geschwindigkeitszuwachs ( bzw. wenn a negativ ( = Bremsen) -abnahme) in der gegebenen Zeit.
Diese Anfangsgeschwindigkeit muss auch beim zurückgelegten Weg berücksichtigt
werden. Es entsteht dadurch die Gleichung
(Gl. 2).
Gehen wir kurz zurück zu Gl. 1: Wir stellen diese nach t um und erhalten . Mit diesem Ausdruck eliminieren wir t in Gl. 2 und erhalten
beide Seiten mit a multipliziert und anschließend die Termeausmultipliziert ergibt
oder (Gl. 3)
bzw. (Gl. 3a)
Mit dieser Formel lässt sich gut der Bremsweg berechnen, ohne die zum Bremsen erforderliche Zeit zu kennen. Beispiel
v = 0 m/s bedeutet, dass das Fahrzeug zum Stillstand kommen soll v0 = 36 km/h = 10 m/s a = - 2 m/s² Gl.3 umgestellt nach Δs ergibt mit Zahlen versehen ergibt sich:
. Der Bremsweg beträgt 25 m (Beispiel 1).
Jetzt stellen wir die Frage, wie schnell wäre das Fahrzeug mit 72 km/h Ausgangsgeschwindigkeit an der Stelle gewesen, wo es mit 36 km/h gestanden hätte. Auch da hilft Gl. 3a weiter:
v wird jetzt gesucht, v0 = 72 km/h = 20 m/s, Δs = 25 m eingesetzt in Gl. 3a erhalten wir:
==>= 62,4 km/h.
Das lässt sich, wenn die Reaktionszeit nicht berücksichtigt wird, zusammenfassen in :
v = 0, a kürzt sich heraus, also ergibt sich mit den Zahlen aus dem Beispiel versehen .
Der tatsächliche Bremsvorgang läuft jedoch ganz anders ab:
Es vergeht eine bestimmte Zeit, die der Fahrer braucht um zu reagieren und die die Bremsanlage benötigt, die Bremsung einzuleiten, die so genannte Reaktionszeit. Dafür kann man Zeiten zwischen 1,1 bis 1,9 Sekunden annehmen. In dieser Zeit fährt das Fahrzeug ungebremst weiter. Dieser Weg wird nach den Gesetzen der gleichförmigen Bewegung berechnet, also gilt (tR = Reaktionszeit). Für unser Beispiel 1 ergibt sich also ein Reaktionsweg bei einer Reaktionszeit von tR = 1,2 s und v0 = 10 m/s von .
Der gesamte Anhalteweg beträgt demnach
Anhalteweg = Reaktionsweg + Bremsweg . Betrachten wir Beispiel 1: .
Betrachten wir jetzt noch einmal die Frage, wie schnell wäre das Fahrzeug mit 72 km/h Ausgangsgeschwindigkeit an der Stelle gewesen, wo es mit 36 km/h gestanden hätte, aber diesmal unter Berücksichtigung der Reaktionszeit tR.
Der Anhalteweg der geringeren Geschwindigkeit ist also genau die Strecke, die dem schnelleren Fahrzeug zum Abbremsen zur Verfügung steht, nur mit dem Unterschied, dass die Geschwindigkeit des schnelleren Fahrzeuges dann noch nicht 0 ist, es also noch nicht zum Stillstand gekommen ist. Wir müssen nun in Gl. 3a als Δs den Anhalteweg der geringeren Geschwindigkeit einzusetzen.
.
Aber halt!
Auch für das schnellere Fahrzeug gilt, dass die Bremsung nicht sofort eingeleitet wird, sondern dieser Fahrer ebenfalls eine Reaktionszeit benötigt. Dieser Weg, den das Fahrzeug in dieser Zeit fährt, muss von dem zur Verfügung stehenden Weg subtrahiert werden, da während dieser Fahrstrecke gar nicht gebremst wird!
Dieser Reaktionsweg bei einer Reaktionszeit von tR = 1,2 s und v0 = 20 m/s beträgt und verkürzt so den zur Verfügung stehenden Bremsweg, Δs wird also um sRhoch verringert. Damit gilt für . In unserem Beispiel bleiben also nur noch 37 m – 24 m = 13 m für das Abbremsen übrig.
Diese 13m sind also das Δs, welches in Gl. 3a eingesetzt wird und wird erhalten
= 18,65 m/s = 67,2 km/h.
Alle Rechenschritte werden nun in einer Formel zusammengefasst:
(Gl. 4)
die aber nur solange gilt:andernfalls gilt .
Mit den Zahlen aus unserem Beispiel:
Beim Abbremsen aus 72 km/h ist das Fahrzeug an der Stelle, an der es aus dem Abbremsen aus 36 km/h bereits steht noch 67,2 km/h schnell, also praktisch ungebremst.
Wenden wir diese Erkenntnisse nun einmal auf das Tempo 30 Beispiel an.
Frage: Wie schnell ist ein Fahrzeug, das 50 km/h fährt, noch an der Stelle, an der es beim Abbremsen aus 30 km/h bereits gestanden hätte?
Wir setzen gute Verhältnisse voraus: Reaktionsschneller Fahrer tR = 1,2 s, gute Haftung und Bremsleistung a = - 7 m/s² und setzen diese Werte in Gl. 4 ein. v0hoch = 50 km/h = 13,89 m/s v0niedrig = 30 km/h = 8,33 m/s a = - 7 m/s² tR = 1,2 s
da gilt
braucht nicht weiter gerechnet werden und es gilt . Das Fahrzeug fährt an dieser Stelle ungebremst.
Ist es wirklich jetzt noch so unbedeutend, ob man Tempo 30 oder 50 fährt?
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